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Ich geh mal eben anne Bude … Liliane Adamek / 4. Semester

Das Ruhrgebiet, umgangssprachlich auch Ruhrpott genannt, ist mit über 5 Millionen Einwohnern auf einer Fläche von mehr als 4000 Quadratkilometern der größte Ballungsraum Deutschlands. Die hohe Siedlungsdichte, der Dialekt sowie die Förderung von Kohle und Stahl sind bis heute prägend für dieses Gebiet. Letzteres lässt sich bis heute noch aneinzelnen Zechen, Fabrikgebäuden und Hochöfen erkennen. Aber nicht nur Orte an denen damals Kohle zu Koks und Eisen zu Stahl wurden, zeugen von der starken wirtschaftlichen Expansion und der harten Arbeit in den Fabriken. Um die Industrie herum entwickelten sich verschiedenste Phänomene. Zu diesen zählt auch der Kiosk.

Aber was ist eigentlich ein Kiosk? Als Kiosk bezeichnet man eine kleine Verkaufsstelle in Form eines Häuschens oder einer Bude. Ob freistehend oder als Teil einer Häuserfassade mit kleinem Durchreichfenster, jeder hat schon mal einen Kiosk gesehen und höchstwahrscheinlich auch schon die ein oder andere Kleinigkeit dort erworben. Was heute als Miniatur eines Supermarktes gilt und für jedermann zugänglich ist, war noch vor Jahrhunderten nur den Wohlhabenden vorbehalten. Schon im 13. Jahrhundert lassen sich erste Bauten im osmanischen Reich erkennen. Anders als heute galten diese weniger als Verkaufsstätte sondern viel mehr als eine Art Wintergarten oder Pavillon. Diese, meist schon sehr prunkvollen Bauten (beispielsweise der Cinilli-Kiosk von 1427), waren ab dem 18. Jahrhundert auch unter den Europäern bekannt, behielten aber auch da ihre Bedeutung eines Gebäudes aus der osmanischen Architektur bei. Anfang des 19. Jahrhunderts verstand man nun auch im Deutschen den Gartenpavillon als Kiosk, von dem aus man die schöne Landschaft begutachten konnte. Ab dem 20. Jahrhundert entwickelte sich der Begriff immer mehr zu dem heute bekannten Verkaufshäuschen. Wo zuerst nur Erfrischungen in Form von Wasser oder anderen einfachen Getränken geboten wurden, fanden sich schnell auch Tabakwaren, Zeitungen und Lebensmittel. Besonders in der Zeit der Industrialisierung bekam der Kiosk eine tragende Funktion. Meist in Nähe der Fabriken bezogen die Fabrikarbeiter in ihren Pausen oder auf dem Weg zur Arbeit oft ihr Frühstück, Mittagessen oder die ein oder andere Zigarette, denn der Weg nachhause war meist zu lang und so traf man sich in der Pause auch schon mal am Kiosk. Die Industrialisierung manifestierte den Kiosk somit als festen Bestandteil der Industriekultur, denn er besteht bis heute noch und prägt besonders im Ruhrpott das Stadtbild.

Heute ist der Kiosk nicht mehr nur eine Alternative zu REWE und Co. sondern auch ein Ort an dem man zusammen kommt, sich trifft. Ob geplant oder zufällig. Zum diskutieren, plaudern, tratschen oder auf das kühle Bier nach dem Feierabend. Man begegnet Nachbarn, Fremden oder auch mal auf den ein oder anderen Stammkunden, zu dem man vielleicht auch schon selbst geworden ist. Und auch wenn man als Einziger vor oder im Kiosk steht, ist man doch nie wirklich allein. Denn der Betreiber / die Betreiberin steht zu fast jeder Tageszeit hinter dem Tresen und grü.t einen bei Betreten des Büdchens. Der Kiosk vermittelt Nähe & Menschlichkeit, die im heutigen Großstadtalltag immer mehr in den Hintergrund rückt. In welchem Supermarkt wird man noch mit Vornamen gegrü.t oder darf das auch mal am nächsten Tag zum Bezahlen wiederkommen? Wo sonst kann man sich die Tüte Sü.igkeiten für 50 Cent noch nach seinen eigenen Wünschen zusammenstellen? Das macht den Kiosk in seiner Art so einzigartig und schon fast zu einem Phänomen. Denn die klassische Bude nebenan hat bis heute überlebt, anders als die Zechen und Kokereien, die sie erst ins Leben gerufen hatten.

In meiner Semesterarbeit „Ich geh ma eben anne Bude…“ beschäftige ich mich mit genau diesem Phänomen. Ob nun als Ort der Begegnungen, als historischer Ort oder als der des kleinen Einzelhandels. Doch was steckt eigentlich dahinter? Oder vielmehr WER steckt hinter einem Kiosk? Wie ist es einen Kiosk zu betreiben? Und was verbindet man damit, wenn man nicht vor dem Tresen sondern jeden Tag dahinter steht? Mit meiner persönlichen Tour der Begegnungen gehe ich diesen Fragen auf den Grund treffe dabei auf die verschiedensten Menschen und deren Kioske. Durch Interviews bekomme ich einen Eindruck in den Alltag und die individuellen Geschichten dahinter. Meine Erfahrungen und Eindrücke halte ich in Form einer bunten Zeitung fest, die sowohl visuell als auch inhaltlich die einzelnen Kioske und deren Einzigartigkeit widerspiegelt. Jeder Kiosk wird in mehreren Doppelseiten auf seine ganz individuelle Art durch verschiedenste Schriftarten, knallige Farben und auffällige Motive in Form von Fotografien vorgestellt. Die Eröffnungsseite jedes Kapitels ist eine Doppelseite mit einem Foto des Kiosks. Rechts unten befindet sich der Name und die Adresse des Kiosks. Die Schrift ähnelt dabei immer einem Schriftelement aus der Beschriftung des Kiosks (meist Leuchtreklame). Schon dort zeigt sich im Vergleich, dass jeder Kiosk sein ganz eigenes „Branding“ hat, da Schrift- und Farbwelt immer einzigartig sind. Desweiteren wird jeder Einleitungstext, in dem kurz auf den Kiosk und die Person dahinter eingegangen wird, kursiv und in einem farblichen Verlauf dargestellt, dessen Farben sich wiederum aus dem Erscheinungsbild des Kiosks (Fassade, Deko oder Gesamteindruck) ableiten lassen. Dadurch entsteht ein deutlicher Kontrast zwischen Einleitung und Fließtext. Im Fließtext finden sich wiederum Wörter in Verlaufsfarben, um Besonderheiten, die das Gespräch und den Kiosk ausmachen, hervorzuheben. Durch verschieden große Einzüge der Antworten im Text wird dieser aufgelockert und soll dadurch den Dialog der beiden Personen (Interviewer & Betreiber) nachempfinden. Neben dem Fließtext werden einzelne Bild- und Zitatseiten ins Layout eingebunden. Die Bilder, meist auf einer Doppelseite platziert, geben nochmals einen visuellen Eindruck von dem Gesamtbild sowie den Einzelheiten des Kiosks, die einem vielleicht auf den ersten Blick nicht auffallen, aber den besonderen Charakter des Kiosks ausmachen. Zitate werden durch verschiedene Schriften auf Einzelseiten, oder auch innerhalb einer Doppelseite Fließtext, eingebunden. Die individuelle Gestaltung ist wie die Aussagen der Personen immer wechselnd. Denn wie die Typo sind auch die Geschichten von Kiosk zu Kiosk unterschiedlich. Das Medium „Zeitung“ wird bei diesem Projekt gezielt gewählt, da es sowohl auf das Sortiment als auch die Funktion des Kiosks eingeht. Zum einen kann die klassische Tageszeitung dort erworben werden, aber auch der Kiosk an sich ist, ähnlich wie eine Zeitung, auch einer der Anlaufpunkte für Neuigkeiten oder die Geschehnisse im und ums Viertel herum. Der Kiosk lebt von diesem Austausch im Viertel, von Gesprächen und Geschichten. Zudem wurde mir immer klarer, dass die Bude viel mehr ist als nur Zigaretten & Sü.es. Sie ist ist Kindheitserinnerung, Leidenschaft & Spaß, aber auch ein Ort der Seelsorge, der Plaudereien und Erlebnisse…

Konzepttext „Ich geh ma eben anne Bude“
Modul NFM 14 Gestaltungssprachen/ Mediale Dialekte 2
Kurs „Ruhrpott/ Ortsbeschreibungen“
Student/in Liliane Adamek

Konterfei

Alexander Reinhardt
Mats Mühle
Alex Böcker, Lea Müller & Rebecca Schell, Mia Pflieger, Dominik Kirsch

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