Die Nacht ist lang, wir fliegen hoch, fallen tief, stellen uns unseren Ängsten, Freunde werden Feinde. Die Mutter stirbt, der Freund betrügt, die Liebe geht zu ende. Wir treffen längst vergessene Bekanntschaften und reisen durch fabelhafte Welten, auf dem Weg begleiten uns Fremde. In der Nacht ist nichts unmöglich, wir sind ein anderes Ich, leben eine andere Realität und spüren alles intensiver und das alles, obwohl wir uns einfach nur schlafen legen. Jeder Mensch träumt pro Nacht im Durchschnitt drei Stunden und im Laufe eines Lebens etwa sieben Jahre. Nach dem Aufwachen erinnern wir uns nur an Fragmente der Träume. Was sind Träume und warum träumen wir?
Ein Traum bezeichnet in der Psychologie eine Abfolge von Gedanken, Bildern und Emotionen. Träumen ist somit eine psychische Aktivität während des Schlafens. Träume können in verschiedenen Variationen vorkommen, sie können realistisch oder eher bildhaft sein. Zudem gibt es Albträume, welche Angst und Panik auslösen können, diese führen dann oft zum Erwachen. Hinter den im Traum gesehenen und erlebten Szenarien, Bildern, Gefühlen und Handlungen werden meist wichtige symbolische Botschaften vermutet, die es zu deuten gilt. Dies wird als Traumdeutung bezeichnet. Sigmund Freud war solch ein Traumdeuter. Er war der Meinung, dass der Mensch träumen muss, um im Traum das Erlebte vom Tag zu verarbeiten. Er hing dem Glauben nach, dass im Traum unerfüllte Wünsche erfüllt und ausgelebt werden.
Diese Theorien wurden jedoch von diversen Wissenschaftlern widerlegt, auch diese haben sich mit der Funktion des Träumens beschäftigt. So sind sie zu dem Entschluss gekommen, dass das Träumen eine Art Urinstinkt des Menschen ist, der sich im Traum geistig auf das Überleben einstellt, für Gefahrensituationen übt und sich für den Notfall wappnet. Demnach erschafft sich das Gehirn anhand von Träumen seine eigene virtuelle Realität und trainiert darin für das reale Leben, löst so Konflikte und Probleme im Schlaf. Carl Gustav Jung war ein bedeutender Psychologe der modernen Tiefenpsychologie, er entwickelte eine Theorie zur Traumdeutung und Traumforschung. Er war der Meinung, dass man den Traum auf zwei verschiedene Ebenen verstehen kann. Die eine ist die Objektstufe, die besagt, dass alle im Traum vorkommenden Personen und Symbole den Figuren oder Gegenständen entsprechen, mit denen wir in der realen Welt zutun haben. Diese sagen dem Träumenden etwas über seine Beziehungen zu Personen aus seinem Leben aus. Die andere ist die Subjektstufe, unter der man versteht, dass Personen und Symbole aus dem Traum die eigenen seelischen Persönlichkeitsmerkmale darstellen, die uns unbewusst sind. Diese zwei Stufen können vermischt in einem Traum auftreten.
Diese zwei verschiedenen Traum Stufen wollte ich in meiner Publikation „schlafen legen“ aufnehmen, daher wurden zwei verschiedene Formate genutzt. Zum einen das größere Format 285×210, welches die Subjektstufe darstellt und zum anderen das kleine Format 140×160, welches die Objektstufe repräsentiert. Da Träume, wie oben beschrieben, eine bildhafte Abfolge von Gedanken und Emotionen sind, wurden zum transportieren dieser Emotionen und Gedanken Fotocollagen und übereinander gelegte Bilder verwendet. Des Weiteren tauchen einige wirre Sätze auf, welche über beide Formate hinaus eingesetzt werden, da manchmal im Schlaf geredet wird. Diese Sätze ergeben oft keinen Sinn und sind belanglos.
Um die Fragmenthaftigkeit der Träume in meiner Publikation darzustellen, werden die Fotocollagen gerastert. Bei der Traumdeutung werden Dinge sichtbar gemacht und erklärt, die vorher nicht zu erkennen waren. Um die Bilder besser deuten zu können sind Folien in den Farben Rot und Blau beigelegt. Diese befinden sich in dem hinteren Fach. Da die Motive alle aus den drei Farben Gelb, Blau und Rot bestehen, werden bei dem Auflegen der jeweiligen Folien einige Farben/Motive besser sichtbar gemacht, andere werden verblasst oder verschwinden ganz. Ganz so wie die Träume, die nach dem Erwachen in Vergessenheit geraten. Die Publikation wurde auf dem Risographen gedruckt. Durch den unsauberen Druck entstehen zufällige Überlappungen, welche gut die Zufälligkeit und das ineinander Verschwimmen von Träumen darstellt.
Projekt und Text: Melis Günoglu
Seminar Nachts mit Ulrike Brückner